Generationenstudie

Zukunft gemeinsam gestalten

Die deutsche Bevölkerung wird älter – wen kümmert‘s?

Ein gesünderer Lebenswandel, bessere Hygiene und Arbeitsbedingungen, aber vor allem der medizinische Fortschritt führen dazu, dass Menschen in Deutschland durchschnittlich länger leben. Damit einher gehen demografische Veränderungen der Bevölkerungsstruktur. Die demografische Entwicklung ist der wichtigste Treiber von Veränderungen für das Gesundheitswesen. In den nächsten Jahren wird die Alterung der deutschen Bevölkerung rapide voranschreiten, insbesondere wenn die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer höhere Lebensalter erreichen. Der zunehmende Altersdurchschnitt der Bevölkerung hat tiefgreifende strukturelle Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung in Deutschland. Mit der höheren Lebenserwartung verändern sich der Versorgungsbedarf und das zu behandelnde Krankheitsspektrum, mehr Menschen weisen demenzielle, chronische und mehrfache Erkrankungen auf und benötigen eine entsprechend komplexe medizinisch-pflegerische Versorgung, die mit erheblich steigenden Anforderungen für die Gesundheitsberufe einhergeht.

Pflegebedürftigkeit nimmt rasant zu – Pflegepersonal fehlt

Für das Jahr 2019 weist die Pflegestatistik 4,1 Millionen Menschen in Deutschland als pflegebedürftig aus, ein Anstieg um rund 21 Prozent im Vergleich zum Jahr 2017. Über die Hälfte dieser Personen werden ausschließlich und ohne Unterstützung eines Pflegedienstes von Angehörigen zuhause versorgt. Die Versorgung von pflegebedürftigen Menschen ohne Angehörige ist in Deutschland nicht vorgesehen bzw. würde unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht funktionieren. Traditionelle familiäre Unterstützungsnetzwerke über die Generationen gehen jedoch tendenziell zurück. Frauen sind häufiger berufstätig, Familien wohnen über die Bundesrepublik verstreut, Einzelhaushalte nehmen zu. Zudem werden demografisch bedingt immer weniger jüngere Angehörige für die familiäre Pflege nachrücken. Die aufgezeigten Entwicklungen führen zu einer zusätzlichen Nachfrage nach professionellen Versorgungsleistungen. Bis 2040 wird die Anzahl der Pflegebedürftigen auf 5,4 Millionen ansteigen. Das sind – trotz tendenziell konservativer Betrachtung – nochmal 30 Prozent mehr als 2019.

Während also die Nachfrage steigt, ist die Frage, wer zukünftig die medizinisch-pflegerische Versorgung in unserer alternden Gesellschaft übernehmen wird, politisch und gesellschaftlich ungelöst. Denn das Arbeitskräftepotenzial in den Gesundheitsberufen nimmt durch die sinkenden Geburtenraten ab. Gerade die Berufsfelder in der Gesundheitsversorgung sind mit einer hohen Personalintensität verbunden. Die Zahl der Beschäftigten im Gesundheitswesen hat sich seit dem Jahr 2010 von rund 4,9 Millionen kontinuierlich auf rund 5,7 Millionen Personen im Jahr 2019 erhöht (+18 %). Dies entspricht einem Anteil von 13 Prozent an allen Erwerbstätigen in Deutschland, die im Gesundheitswesen tätig sind. Dabei ist der Frauenanteil unter den Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders hoch: Im Schnitt sind drei von vier Beschäftigten weiblich. Die Anzahl der Beschäftigten in der Pflege ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, kann jedoch mit der aktuellen und künftig zunehmenden Nachfrage nach professioneller Pflege nicht mithalten. Der notwendige Personalbedarf zur medizinischen und pflegerischen Betreuung kann schon heute kaum noch gedeckt werden. Die daraus entstehenden Versorgungslücken zeigen sich besonders deutlich in den ländlichen und strukturschwachen Regionen.

Das Gesundheitssystem zeigt Erschöpfungssyndrome

Im Jahr 2020 lagen die Gesundheitsausgaben in Deutschland bei rund 425 Milliarden Euro, was einem Anteil von rund 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht und damit deutlich über dem EU-Durchschnitt. Dafür ist die Bettendichte in deutschen Krankenhäusern so hoch wie in keinem anderen EU-Land. Jedoch zeigt sich hier ein zentrales Problem, Betten können nur belegt werden, wenn das für die Versorgung nötige Personal zur Verfügung steht. Gerade bei dieser wichtigen Kenngröße, dem durchschnittlichen Personalschlüssel pro Patient:in, nimmt Deutschland einen der letzten Plätze im EU-Vergleich ein. Den Beschäftigten in unserem Gesundheitswesen fehlen Kolleg:innen. 

Zwar handelt es sich bei den Beschäftigten in den Branchen Medizin und Pflege um Gesundheitsprofis, besonders häufig sind die Beschäftigten jedoch selbst körperlich und psychisch überlastet. Gründe dafür sind, neben dem akuten Personalmangel, die branchentypischen Arbeitsbedingungen, ökonomischer Druck aber auch die alltägliche Konfrontation mit Krankheit und Tod. Unattraktive Rahmen- und Arbeitsbedingungen sowie Personaleinsparungen im Bereich Pflege insbesondere in den Krankenhäusern haben dazu geführt, dass Überlastung, Krankheit und längere gesundheitliche Ausfälle stark zugenommen haben oder beruflich Pflegende in Folge die Branche verlassen, d. h. den sogenannten Pflexit wählen. Eine bessere Bezahlung des Personals ist dabei nur ein Baustein, um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken.

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