Generationenstudie

Zukunft gemeinsam gestalten

Wohlstand ohne Wachstum? – Wirtschaftliche Perspektiven für ein Deutschland im Wandel

Eine bemerkenswerte Erkenntnis der Generationenbefragung ist, dass die Steigerung des Wirtschaftswachstums am Ende der Prioritätenskala beider Leitgenerationen steht. Aber können wir uns unsere Zukunft ohne Wachstum überhaupt leisten? Eine mögliche Antwort gibt der Prognos Economic Outlook 2022, das Basisszenario zur wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands und der Welt, welches sich aus den makroökonomischen Modellen und Analysen von Prognos ergibt.

  Prognos Economic Outlook |VIEW

In unsicheren Zeiten steigt der Bedarf an Orientierung. Mit dem Prognos Economic Outlook liefern wir regelmäßig neutrale Zahlen und Analysen auf Basis des makroökonomischen Modells VIEW. VIEW ist ein globales Prognose- und Simulationsmodell, welches 125 Länder und damit ca. 98 Prozent der aktuellen globalen Wirtschaftsleistung abdeckt. VIEW ermöglicht eine detaillierte und konsistente Darstellung der zukünftigen Entwicklung der Weltwirtschaft. Interaktionen und Rückkopplungen zwischen den einzelnen Ländern und Branchen werden in VIEW explizit erfasst und modelliert. Ausgehend von zentralen exogen gesetzten Parametern wie etwa der Demografie, der Entwicklung des internationalen Ölpreises oder der Konsolidierungsvorgaben für die staatlichen Haushalte werden mit VIEW Szenarien für Deutschland und andere Länder sowie die Weltwirtschaft als Ganze erstellt.

Die fetten Jahre sind vorbei

In unserem Basisszenario wächst das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland zwischen den Jahren 2022 und 2040 um durchschnittlich 1,3 Prozent pro Jahr. Je Einwohner:in und in absoluten Größen entspricht dies einem Zuwachs in Höhe von rund 12.800 Euro. Damit gibt es zwar weiterhin Wachstums- und Wohlstandsgewinne zu verteilen, die Größenordnung nimmt aber gegenüber früheren Dekaden deutlich ab. So ist das BIP in den zehn Jahren zwischen der Finanz- und der Corona-Krise (2010-2019) um rund 2 Prozent p. a. gewachsen. Vor allem die (ausgebremste) Globalisierung und der demografische Wandel dämpfen das Wachstumspotenzial.

Technischer Fortschritt als zentrale Wachstumsquelle

Das künftige Wachstum ist daher in besonderem Maße abhängig vom technischen Fortschritt. Dieser ist vereinfacht gesagt das Maß dafür, wie die Wertschöpfung gesteigert werden kann, ohne mehr Produktionsfaktoren einsetzen zu müssen. Da in Deutschland bereits sehr kapitalintensiv produziert wird und zudem die Arbeitskräfte demografisch bedingt immer knapper werden, ist technischer Fortschritt letztlich die entscheidende Quelle für Wachstum. Ohne technischen Fortschritt – der zunehmend von der Digitalisierung getrieben wird – würde die deutsche Volkswirtschaft in den kommenden Dekaden schrumpfen.

Wie in den übrigen wohlhabenden Wirtschaftsräumen entfällt in Deutschland mittlerweile der Großteil der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung und Beschäftigung auf den Dienstleistungssektor. Gleichwohl bleibt ein im internationalen Vergleich starker industrieller Kern auch künftig zentral für die deutsche Wirtschaft. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Struktur der deutschen Wirtschaft – wie überall auf der Welt – im stetigen Wandel befindet. In Deutschland werden künftig andere Waren und Dienstleistungen hergestellt als heute und die Menschen arbeiten in anderen Bereichen als heute. Während manche Wirtschaftsbereiche wachsen oder sogar neu entstehen und so einen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung und Beschäftigung leisten, verlieren andere an Bedeutung oder verschwinden ganz.

Demografie dämpft die Wachstumsperspektiven

In welchen Bereichen welche Menschen wie viel arbeiten ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung für das künftige Wachstum. Aufgrund des demografischen Wandels sinkt allerdings das Arbeitsvolumen, was die Wachstumsdynamik insgesamt dämpft. Im Basisszenario ist dabei unterstellt, dass die Politik auf den demografisch bedingten Rückgang des Arbeitsvolumens reagiert. Die Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt verändern sich dahingehend, dass vor allem Frauen, ältere Personen und aktuell Teilzeitbeschäftigte ihr Arbeitsangebot ausweiten wollen und können. So werden in der arbeitsmarktnahen Gruppe der 15- bis 64-Jährigen noch mehr Menschen erwerbstätig (Anstieg der Erwerbstätigenquote) und sie arbeiten im Durchschnitt mehr Stunden. Die Erwerbsquoten steigen über alle Altersgruppen und Geschlechter hinweg bis zum Jahr 2040 an. Unter dem Strich gelingt es mit diesen Maßnahmen, den Einfluss der Demografie auf das wirtschaftliche Wachstum Deutschlands zu kompensieren. Der Rückgang des Arbeitsvolumens wird von ‑13 Prozent auf knapp +1 Prozent reduziert.

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Darf es etwas mehr (Arbeit) sein?

Doch ist die Gesellschaft, sind die Generationen, überhaupt bereit, auf Forderungen etwa aus dem Arbeitgeberlager nach längerer Wochen- oder gar Lebensarbeitszeit nachzudenken? Folgt man den Einschätzungen der Befragten, ist eher ungewiss, ob die Annahmen des Basisszenarios umsetzbar sind. Die „rechnerische Optimierung“ der Arbeitszeit in einem volkswirtschaftlichen Modell kann lediglich zeigen, wie sich bestimmte Verhaltensänderungen auswirken. Das tatsächliche Verhalten hängt von der Summe der individuellen Entscheidungen der Menschen selbst ab.

Hier gibt die zu diesem Zweck durchgeführte R+V Szenariobefragung interessante Einblicke: So offenbart sich insbesondere in der Generation Z ein Wunsch hin zu einer Verkürzung der Arbeitszeit. Die 13- bis 26-Jährigen befürworten mehrheitlich die Idee einer 4-Tage-Woche (72 %), was gesamtwirtschaftlich einer Ausweitung der Arbeitszeit entgegenstehen würde. Während im Basisszenario das jährliche Arbeitsvolumen der Erwerbstätigen von aktuell durchschnittlich 1.370 Stunden pro Jahr auf 1.470 Stunden pro Jahr steigt, was einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 statt 29,8 Stunden entspricht, präferieren die Befragten tendenziell geringere Arbeitsumfänge (in der Modellrechnung „4-Tage-Woche“ langfristig 29,4 Stunden). Mit entsprechenden Effekten auf Wohlstand und Wachstum.

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-6.200 Euro je Einwohner:in

Die Verkürzung der Arbeitszeit reduziert den Wohlstand. Das BIP-Wachstum fällt in der Modellrechnung „4-Tage-Woche“ im Jahr 2040 um knapp 11 Prozent geringer aus als im Basisszenario.

Wachstum: eine Frage der Einstellung?

Das gegenüber dem Basisszenario verringerte Arbeitsvolumen bedeutet in der Konsequenz, dass weniger Güter und Dienstleistungen bereitgestellt und verkauft werden können. Die geringere Wachstumsdynamik bedingt in der Folge eine langsamere Erneuerung des Kapitalstocks und einen geringeren technischen Fortschritt. Diese und weitere Rückkopplungseffekte führen dazu, dass die Abweichung des Bruttoinlandprodukts gegenüber dem Basisszenario letztlich sogar größer ausfällt als die Reduktion des Arbeitsvolumens. In Zahlen bedeutet dies, dass das BIP je Einwohner:in 2040 um 6.200 Euro geringer ausfällt.

Ob dies tatsächlich den Präferenzen der Menschen entspricht, ist kaum zu beantworten. Immerhin strebt die Generation Z (68 %) mehr als die Babyboomer (52 %) nach einem hohen Lebensstandard und beide Generationen legen besonderen Wert auf ein angemessenes Einkommen (jeweils über 90 % finden dies wichtig oder sehr wichtig). Einerseits ist dies kein zwingender Widerspruch, da Angemessenheit subjektiv unterschiedlich ist, andererseits ist objektiv festzuhalten, dass die Wachstumsdynamik mit darüber entscheidet, wie viel finanzieller Spielraum für Klimaschutz, Bildung, Verteidigung und Sozialpolitik in den kommenden Jahren vorhanden ist. 

Die R+V Generationenbefragung zeigt jedenfalls, dass das Thema Steigerung des Wirtschaftswachstums weder für die Generation Z noch für die Babyboomer eine besondere Rolle spielt. Lediglich 13 bzw. 16 Prozent der Befragten finden dies besonders wichtig. Ein Befund, an dem auch eine Betrachtung nach anderen Merkmalen, wie dem Geschlecht, dem Bildungsstand oder dem Wohnumfeld (Stadt vs. Land) nichts ändert.

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