Generationenstudie

Zukunft gemeinsam gestalten

Die „neue Weltordnung“ prägt unseren Wohlstand

Die Globalisierung, also die zunehmende internationale Verflechtung und Zusammenarbeit auf politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene, hat vielschichtige Auswirkungen auf Volkswirtschaften. Die Globalisierung schafft Wohlfahrtsgewinne. Die materiellen Wohlfahrtgewinne speisen sich vor allem

  • aus Spezialisierungsgewinnen (u. a. infolge von Optimierungen von Prozessen durch Erfahrungs- und Lerneffekte) und damit einhergehenden Produktivitätssteigerungen sowie
  • aus der Verbesserung der Konsumversorgung durch eine wachsende Produktvielfalt und
  • aus einem beschleunigten technologischen Fortschritt infolge zahlreicherer internationaler Forschungsleistungen.

Gleichwohl können die Wohlfahrtsgewinne ungleich verteilt sein. Dies birgt Konfliktpotenzial.

Zudem verändert die globale Zusammenarbeit wesentliche Rahmenbedingungen, unter denen Unternehmen agieren. Dies betrifft beispielsweise internationale Vereinbarungen und Institutionen zur Vereinfachung des grenzüberschreitenden Handels, zum Schutz geistigen Eigentums sowie zum Umwelt- und Klimaschutz. Damit ist die Globalisierung ein wichtiger Einflussfaktor von Wachstum, Produktivität und Wohlstand. Unter den Befragten der R+V Generationenstudie gehen die Meinungen zur Globalisierung auseinander. So sind 37 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Meinung, dass die Globalisierung mehr Vor- als Nachteile bietet und weitere 37 Prozent denken, dass es sich in etwa mit den Nachteilen ausgleicht, nur knapp ein Fünftel der Befragten stehen dem Thema Globalisierung negativ gegenüber. Hingegen sieht nur ein Viertel der Babyboomer mehr Vorteile durch die Zunahme der weltweiten Verflechtungen. Dabei gehört Deutschland rein ökonomisch betrachtet eindeutig zu den Gewinnern der Globalisierung. Über 1.100 Euro pro Jahr und Einwohner:in kann Deutschland als Einkommensgewinne in den letzten 30 Jahren verbuchen. 

Für die jungen Menschen scheinen die Vorteile der Globalisierung tendenziell spürbarer. Dies zeigt sich auch im Zeitverlauf. In den Shell Jugendstudien der Jahre 2002, 2006 und 2010 wurde dieselbe Frage an die Altersgruppe der 12- bis 25-Jährigen gestellt. Dabei hatten zwischen 18 und 28 Prozent der Befragten eher Vorteile erkannt und rund die Hälfte jeweils Vor- und Nachteile gleichgewichtet. Die „Zustimmung“ ist damit um rund 10 Prozentpunkte gestiegen. Ein tieferer Blick in die Befragungsergebnisse zeigt, dass Männer tendenziell positiver auf die Globalisierung schauen als Frauen. Weitere Unterschiede zeigen sich bei der Betrachtung des Bildungshintergrunds. Tendenziell nimmt mit höherer Bildung der Glaube an die Vorteilhaftigkeit der Globalisierung zu.

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Globalisierungsgewinner

Deutschland gehört zu den größten Globalisierungsgewinnern weltweit. Mit durchschnittlich 1.100 Euro pro Jahr und Einwohner:in zwischen 1990 und 2018 liegt Deutschland u. a. hinter Japan, Irland und der Schweiz auf Rang 7 (von 45 untersuchten Ländern).

Quelle: Bertelsmann Globalisierungsreport 2020

Mehr Gewicht Deutschlands und Europa wagen?

Ein ähnliches Bild lässt sich im Übrigen auch in Bezug auf die EU erkennen. So sehen unter den Menschen mit dem höchsten Bildungsgrad 55 Prozent die EU (sehr) positiv, während es unter den Personen mit niedriger oder mittlerer Bildung nur etwa ein Drittel ein solch gutes Bild von der EU haben. Dabei sind die Menschen dieser Gruppen eher unentschlossen in ihrer Bewertung. Eine Ablehnung für die EU im Sinne einer (sehr) negativen Bewertung zeigt sich bei weniger als 20 Prozent dieser Befragten.

Im Vergleich zu früheren Jugendbefragungen ist das Bild der jungen Menschen zur Rolle der EU weitgehend unverändert. So wurde dieselbe Frage in der Shell Jugendstudie 2019 gestellt und hat eine sehr ähnliche Antwortverteilung ergeben. Anders sieht es bei der Rolle Deutschlands in der EU und auf der weltpolitischen Bühne aus. Aktuell finden 52 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, dass Deutschland seine Interessen in der Welt zu schwach zur Geltung bringt. Nur 20 Prozent finden die Rolle gerade richtig. 2015 war mehr als ein Drittel der Befragten dieser Ansicht, während nur ein Viertel das Auftreten Deutschlands für zu schwach befand.

Die heute befragten Babyboomer stimmen mit der Generation Z diesbezüglich überein. Auch sie sehen Deutschlands Interessen in der Welt aktuell mehrheitlich zu schwach vertreten. Eine Einschätzung, die sich auch nach Bildungsstand oder Geschlecht nicht maßgeblich ändert.

   Weltwirtschaftliche Verschiebungen, Blockbildung und Europas Rolle

Unserem Basisszenario zufolge werden die demografischen und ökonomischen Verschiebungen in den nächsten 20 Jahren dazu führen, dass der „Westen“ – also Nordamerika, West- und Mitteleuropa – an ökonomischer Dominanz verliert, während vor allem Ostasien, der Pazifikraum und teilweise auch Südasien künftig an wirtschaftlichem Gewicht gewinnen. Die langfristige Verschiebung der ökonomischen Kräfteverhältnisse „von West nach Ost“ könnte sich in veränderte politische Machtverhältnisse übersetzen und damit neue Spielregeln für den internationalen wirtschaftlichen Austausch bedeuten. Falls sich das bereits abzeichnende geopolitische Kräftemessen der aufstrebenden Wirtschaftsmächte und insbesondere Chinas mit dem „Westen“ (unter Führung der USA) weiter verstärkt, sind De-Globalisierungsentwicklungen möglich. 

Deutschland und die EU würden von einer De-Globalisierung empfindlich getroffen. Eine Abschottung einzelner Volkswirtschaften bis hin zu einer hypothetischen Blockbildung von China und dem asiatisch-afrikanischen Raum auf der einen Seite sowie den USA und dem europäisch-westlichen Raum auf der anderen Seite – eine Entwicklung, die durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine leider erheblich an Bedeutung gewonnen hat – würde die global eng verflochtene deutsche und europäische Wirtschaft erheblich schwächen

Dabei spielt das Selbstverständnis der Europäischen Union eine wichtige Rolle. Als großer Wirtschaftsraum mit 27 Mitgliedstaaten ist sie für außereuropäische Volkswirtschaften wie die USA oder China ein wichtiger Partner, nicht nur umgekehrt. Vor diesem Hintergrund sollte die EU einen zentralen politischen Beitrag zur langfristigen Stabilisierung und Weiterentwicklung der globalen Wirtschaftsordnung leisten, von der alle Ökonomien und Gesellschaften weltweit profitieren können.

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